Erste Orientierungsmesse in den Beruflichen Schulen

Berufsperspektiven für 5000 Messebesucher

Münsterland Zeitung, 97-09-24

Ahaus (sy-) - Was macht der Galvaniseur? Welche Voraussetzungen sollte ein Fachinformatiklehrling mitbringen? Und wie sehen die Aufstiegschancen bei der Polizei aus? Mehr als 5000 junge Besucher bestürmten gestern die 54 Aussteller der ersten Berufsorientierungsmesse mit Fragen.

Sie erhielten aber nicht nur Antworten aus der Praxis und jede Menge Informationsmaterial über die 83 vorgestellten Ausbildungsberufe, sondern auch - "und das ist das Einzigartige, das unsere Messe leistet", freut sich Organisator Wolfgang Reinert - persönliche Kontakte zu den möglichen Ausbildungsbetrieben von morgen. Für die Veranstalter der Messe, die Beruflichen Schulen, steht fest: "1998 gibt es eine Fortsetzung.

"Karriere mit Lehre" - blau auf weiß bringt das Schild hinter der Glastür zu den Beruflichen Schulen am Kusenhook das Motto der Messe auf den Punkt. Von Slogans allein lassen sich die Schüler, hauptsächlich die neunten und zehnten Jahrgänge der weiterführenden Schulen des Altkreises Ahaus, jedoch nicht ködern: Kreativität, Kontakt mit Menschen, Aufstiegschancen, Verdienstmöglichkeiten: Die meisten wollen es genau wissen - schwarz auf weiß.

Bürotätigkeit gefragt

Schlangestehen vorm Messestand er Gemeinden und des Kreises: Vom Ver- und Entsorger am Klärwerk bis zum Inspektoranwärter im gehobenen Dienst - wer in die öffentliche Verwaltung strebt, kann zwischen sieben ganz unterschiedlichen Berufen auswählen, informieren bunte, Computergraphiken per Mausklick. Nicht die Präsentation per Computeranimation, sondern die Attraktivität der Berufe sorgten für den großen Andrang, betont Willi Ellerkamp, Leiter der Personalabteilung der Stadt Gronau: "Weniger bei den technischen Berufen, sondern vielmehr im Angestelltenbereich registrieren die Verwaltungen große Nachfragen." 30 Bewerber pro Stelle, das sei keine Ausnahme.

Krawatte ja, Blaumann nicht so gerne: Diesen Trend beobachtet auch die Vredener Firma Saueressig. "Über die Hälfte der Bewerbungen des vergangenen Jahres kamen für die Ausbildungsberufe im Bürobereich." Auf der Messe drängeln sich die Schüler vor den Informationstischen der Reprohersteller und Fotogravurzeichner, den eher künstlerisch ausgerichteten Berufen. Der Kollege, der Wissenswertes über die Arbeit der Industriemechaniker vermitteln will, kann da nur neidisch herüberblicken.

Im Klassenzimmer gegenüber dokumentieren die Schornsteinfeger ihre Wandlung vom rußigem Glücksbringer zum Sicherheits- und Umweltexperten. "Wir halten uns bewußt bedeckt, wenn es darum geht, zu werben", verrät Kreisobermeister Willi Franzbach: "Schließlich müssen wir auch so schon immer viel zu viele Absagen verschicken." Rund 200 junge Leute bewerben sich auf die nur zehn bis 15 freien Ausbildungsstellen. Nicht nur die Schornsteinfeger geben zu, daß angesichts der großen Zahl der Bewerber Hauptschüler schlechtere Chancen hätten als andere.

Immer höhere Anforderungen stellt auch das KFZ-Handwerk. "Wir fordern mindestens einen qualifizierten Hauptschulabschluß, lieber noch einen Realschulabschluß", so Manfred Brammen, stellvertretender Obermeister der Innung Coesfeld. Informieren sich viele allgemein über den einstigen Traumberuf aller Jungen, möchte ein Mädchen am liebsten schon alles klar machen: "Sie will sich gleich bewerben."

Weder mit der Zahl noch mit der Qualifikation der Bewerber ist Heinrich Buss von der Malerinnung zufrieden. "Wir müssen deutlich machen, daß wir nicht nur Farbe verstreichen und Rauhfaser kleben", fordert er. Wieviel Fingerspitzengefühl gefragt ist, demonstrieren den Messebesuchern Azubis.

AIW-Kontaktliste

Warum nicht Textilmaschinenführer oder Speditionskauffrau? "Viele Jugendliche kannten bislang gar nicht die Alternativen zu den Modeberufen", so Peter Budweg, Geschäftsführer der "Aktiven Unternehmen im Westmünsterland" (AIW). Adressen, Anforderungen, Ausbildungs- und Praktikumsplätze sowie Bewerbungsfristen - alles Wissenswerte auf einen Blick erhält eine Broschüre der AIW, die in den Schulen ausliegt.


Von "Weiß noch nicht" bis "Hab' schon"

Ahaus (s -) - "Die Wirkung der Berufsorientierungsmesse wird sich erst in den nächsten Tagen zeigen", steht für Peter Budweg, Geschäftsführer des AIW fest: "Dann, wenn die Jugendlichen beginnen, gezielt bei den Kontaktadressen nachzufragen." Wohin tendieren sie? Die MZ sprach mit einigen Schülern:

Maria Schülting-Kemper, 17 Jahre, Stadtlohn: "Mein Vater ist Maler und Lackierer. Daher kenne ich den Beruf ein wenig. Ich glaube,. ich könnte mich auch als Frau darin zurechtfinden, obwohl dort immer noch mehr Männer arbeiten. Aber dann später auf den Baustellen... Interessant finde ich auch eine Ausbildung als Floristin. Auf jeden Fall steht für mich fest, daß ich kreativ tätig werden will."

Pierre Hoegen, 16 Jahre, Alstätte: "Ich habe jetzt einen Praktikumsplatz für den Beruf Radio- und Fernsehtechniker. Das ist reiner Zufall gewesen. Bislang habe ich mich kaum für Radios oder Fernsehgeräte interessiert. Hauptsache, die Arbeit im Praktikum ist nicht langweilig, und es gibt immer etwas zu tun. Eine Ausbildung als Bankkaufmann kann ich mir auch gut vorstellen, am liebsten würde ich aber Rechtsanwalt werden."

Julia Ehlers, 14 Jahre, Gronau: "Ich habe da zwar Infomaterial über den Tischlerberuf, aber eigentlich interessiere ich mich für die Altenpflege. Auf keinen Fall möchte ich im Büro arbeiten."

Andre Eckbrinkhoff, Alstätte: "Ich finde den Beruf des Fliesenlegers gut. Da kenne ich mich auch schon ein wenig aus, seitdem ich in einem Betrieb ein Praktikum gemacht habe. Anschließend habe ich gleich gefragt, ob ich als Lehrling in Frage kommen könnte, und die haben zugesagt."


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