The grass is greener in ... Christiania
Was ist Christiania?
Am Dienstag, den 01.10.2002, trafen wir uns alle morgens am Graffiti-Eingang von Christiania, einem sehr individuellen Stadtteil Kopenhagens, der im Grunde einen eigenen Staat im Staate Dänemark bildet. Christiania wurde in der Flower-Power Zeit ins Leben gerufen, als die Blumenkinder nach einem Ort suchten, an dem sie frei leben konnten und leerstehende ehemalige Gebäude des Militärs besetzten. Seitdem ist an dieser Stelle ein mehr oder weniger rechtsfreier Raum entstanden, da es keine dänische Regierung geschafft hat, Christiania aufzulösen und seine Einwohner zu vertreiben.
Wie lebt man in Christiania und warum sind alle Einwohner stoned?
Zur Zeit leben dort 600 Erwachsene, 300 Kinder und 300 Hunde. Während unseres Aufenthaltes hielt uns zunächst in einer Art Museum, in dem von Christianiern hergestellte Bilder und Skulpturen ausgestellt werden, einer der Männer der ersten Stunde einen sehr spannenden Vortrag über die Geschichte, Bewohner und die geltenden Regeln. So erfuhren wir in Form eines Raps -, dass die Einwohner sich keinesfalls um vom Staat aufgestellte Regeln kümmern. Es ist daher erlaubt Hasch zu rauchen und damit zu handeln, Autos sind in Christiania verboten, und man darf nur langsam gehen, weil man sonst von den frei laufenden, meist ponyartigen Hunden angefallen werden könnte. Auf diese Weise vermeiden die Christianier Hektik in ihrem Lebensraum.
Das Motto Take it easy passt sowohl zu der Lebenseinstellung der Bewohner als auch zu ihren Regeln. Zwar ist es für sie das normalste der Welt, dass sie den ganzen Tag stoned sind, allerdings sind harte Drogen verboten, da man aus Christiania kein Drogennest machen will. Die Menschen wollen nur frei und ungezwungen ihr Leben genießen und da gehört Marihuana für sie dazu.
Anschließend wurde uns noch von Christianias Regierung erzählt. Diese funktioniert folgendermaßen: Falls es ein Problem gibt, versammeln sich alle Bewohner Christianias und versuchen gemeinsam das Problem zu lösen. Keiner hat eine höhere Position als ein anderer, jeder ist gleich gestellt und hat gleiches Mitspracherecht. Wir erfuhren, dass es bei solchen Treffen auch schon zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen ist, diese allerdings sofort unterbunden und die Verursacher von der Sitzung ausgeschlossen wurden.
Wie wirkt Christiania auf uns?
Nachdem unser Gruppenführer, der selbst recht benebelt wirkte, seinen Vortrag beendet hatte, wurden wir in kleinere Gruppen eingeteilt und herumgeführt. Es wurden uns einige der sehr individuellen Häuser gezeigt, die - wie alle Häuser in Christiania - von den Besitzern von Hand gebaut wurden. Zum Schluss wurden uns dann die Einkaufsstraße und der Markt gezeigt, wo Christiania-Andenken genauso selbstverständlich verkauft werden wie Haschpflanzen, Hasch und auch schon fertig gedrehte Joints. All diese Dinge werden in Buden angeboten, die aussehen wie unsere Weihnachtsmarktstände. Außerdem gibt es in der Bäckerei nicht nur normales Brot, sondern natürlich auch Hasch-Kekse und Cake. Wir trauten unseren Augen und Nasen kaum! Leider ist es verboten, auf der sogenannten Pusher Street Fotos zu machen eine weitere Regel in Christiania. Die Dealer wollen sich nämlich später nicht vor Gericht auf Urlaubsfotos von irgendwelchen Touris wiederfinden. Schade für uns!
Insgesamt war der Besuch eines der Highlights des Austausches und sehr interessant. Einigen unserer Dänen war es allerdings peinlich, dass wir dort hingegangen sind, weil sie meinten, wir bekämen einen falschen Eindruck von Dänemark, dabei spiegelt dieser Stadtteil doch irgendwo auch einen Teil Geschichte wider, den unsere Eltern noch miterlebt haben.